Rechtsanwalt in Hannover feiert Jubiläum

Vertrauen in ärztliche Krankschreibung kann Verdienstausfall rechtfertigen

Ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des BGH bringt Klarheit zu einem wichtigen Aspekt im Schadensersatzrecht: Unter bestimmten Umständen kann ein Geschädigter Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls haben, auch wenn er objektiv wieder arbeitsfähig ist – sofern er berechtigterweise auf eine ärztliche Krankschreibung vertraut.

Der Fall: Unfall mit schwerwiegenden Folgen
Der Kläger wurde 2019 bei einem Verkehrsunfall schwer am Bein verletzt. Die Haftung der Beklagten für den entstandenen Schaden war unstrittig. Aufgrund der Verletzungen erhielt der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die zunächst bis September 2020 galt. Da das Krankengeld unter seinem regulären Gehalt lag, verlangte er Ersatz des Verdienstausfalls.

Das Berufungsgericht entschied jedoch, dass der Kläger ab September 2019 wieder arbeitsfähig gewesen sei, und verweigerte ihm daher einen Schadensersatzanspruch für die Zeit nach diesem Datum – trotz vorliegender ärztlicher Bescheinigung.

Die Entscheidung des BGH (BGH, Urteil v. 8.10.1024 - VI ZR 250/22)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil auf. Er stellte klar, dass ein Geschädigter unter bestimmten Voraussetzungen auch dann Anspruch auf Verdienstausfall haben kann, wenn er objektiv arbeitsfähig ist, jedoch aufgrund der Einschätzung seines Arztes berechtigterweise davon ausgeht, nicht arbeiten zu können.

Dabei betonte der BGH folgende Punkte:

  1. Vertrauen in ärztliche Bescheinigung
    Ein Geschädigter darf auf die Beurteilung seines behandelnden Arztes vertrauen, insbesondere wenn er sich durch die Verletzung, die der Schädiger verursacht hat, in einer Situation befindet, in der er seine eigene Arbeitsfähigkeit nicht sicher einschätzen kann.
  2. Risikoverteilung
    Das Risiko einer objektiv unzutreffenden Krankschreibung liegt im Risikobereich des Schädigers, der den Unfall verursacht hat.
  3. Pflichten des Geschädigten
    Der Geschädigte muss seinen Arzt vollständig und korrekt über sämtliche Beschwerden informieren und sicherstellen, dass die Bescheinigung auf einer fundierten ärztlichen Grundlage beruht.

Worum geht es im weiteren Verfahren?
Das Berufungsgericht hat bislang nicht detailliert geprüft, ob der Kläger tatsächlich berechtigterweise auf die ärztliche Krankschreibung vertraut hat. Der Fall wurde deshalb an die Vorinstanz zurückverwiesen, um diese Frage zu klären.

Bedeutung für Geschädigte
Dieses Urteil stärkt die Rechte von Unfallopfern. Es zeigt, dass das Vertrauen in eine ärztliche Krankschreibung auch dann maßgeblich sein kann, wenn sich diese später als objektiv unzutreffend erweist. Unfallopfer dürfen nicht allein aufgrund einer nachträglichen Neubewertung ihrer Arbeitsfähigkeit benachteiligt werden, sofern sie sich zum Zeitpunkt der Krankschreibung in gutem Glauben auf den ärztlichen Rat verlassen haben.

Zudem unterstreicht das Urteil, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation und eine klare Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist, um Ansprüche rechtssicher durchsetzen zu können.

Bild von Rechtsanwalt Cihan Kati im Anzug
Noch Fragen?
Schreiben Sie mir über die E-Mail oder vereinbaren Sie direkt ein Termin.
Termin vereinbaren
Termin vereinbaren