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Grundstückskauf: Welche Flächen gehören wirklich dazu?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass eine fehlerhafte Annahme über die Größe eines Grundstücks nicht automatisch zur Rückabwicklung eines Kaufvertrags führt.

Käufer müssen sich vor Vertragsabschluss genau vergewissern, welche Flächen tatsächlich zum Kaufgegenstand gehören – insbesondere, wenn angrenzende Flächen den Eindruck einer zusammenhängenden Einheit erwecken.

Hintergrund des Falls

Die Kläger kauften im Jahr 2009 ein bebautes Grundstück und gingen dabei irrtümlich davon aus, dass ein angrenzendes Flurstück ebenfalls Teil des Kaufs sei.

Dieses zusätzliche Flurstück gehörte jedoch einem Dritten, der nun die Herausgabe forderte.

Die Käufer fühlten sich getäuscht und verlangten:

  • Rückabwicklung des Kaufvertrags
  • Schadensersatz von den Verkäufern

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Käufer legten daraufhin Revision beim BGH ein.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH wies die Revision zurück und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen. Die Käufer haben keinen Anspruch auf Rückabwicklung.

Die zentralen Argumente des BGH:

  1. Kaufgegenstand war eindeutig bestimmt
  2. Im notariellen Kaufvertrag war ausschließlich das Flurstück 291/3 genannt.
    Das angrenzende Flurstück 277/22 wurde nicht erwähnt – es war also nicht Teil des Kaufgegenstands.
  3. Kein Sachmangel im juristischen Sinne
  4. Ein Grundstück ist nicht mangelhaft, nur weil es nicht größer ist als vereinbart.
    Die Größe ist nicht Teil der „Beschaffenheit“, sondern definiert den Kaufgegenstand selbst.
  5. Keine stillschweigende Einigung über weitere Flächen
  6. Dass beide Flurstücke optisch wie eine Einheit wirkten, begründet keine stillschweigende Vereinbarung.
    Käufer können nicht davon ausgehen, dass angrenzende Flächen automatisch mitverkauft werden.
  7. Aufklärungspflicht – aber verjährt
  8. Hätte der Verkäufer gewusst, dass der Käufer von einem größeren Grundstück ausging, hätte er ihn aufklären müssen.
    Ein möglicher Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss (c.i.c.) war jedoch verjährt.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil unterstreicht die Sorgfaltspflicht beim Immobilienkauf. Käufer sollten:

  • Grundbuchauszug sorgfältig prüfen, um sicherzugehen, welche Flächen im Eigentum des Verkäufers stehen
  • Eine Grenzvermessung in Betracht ziehen, wenn Zweifel am Grenzverlauf bestehen
  • Keine stillschweigenden Annahmen treffen, auch wenn angrenzende Flächen optisch zum Grundstück gehören

Auch Verkäufer sollten aktiv aufklären, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Eine frühzeitige und klare Kommunikation hätte in diesem Fall mögliche Schadensersatzforderungen verhindert.

Fazit

Ein Grundstück umfasst nur die Flächen, die im Kaufvertrag ausdrücklich genannt sind – selbst wenn angrenzende Flächen optisch eine Einheit bilden.

Das Urteil macht deutlich:
Was man vor Ort sieht, ist nicht immer das, was man rechtlich erwirbt.

Der BGH stärkt damit die Bedeutung einer genauen Prüfung notarieller Kaufverträge im Immobilienrecht.

BGH, Urteil vom 23.06.2023 – V ZR 89/22

Bild von Rechtsanwalt Cihan Kati im Anzug
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