Rechtsanwalt in Hannover feiert Jubiläum

Dresscode im Fitnessstudio: Was ist erlaubt und was nicht?

Für viele Fitnessstudio-Besucher ist es selbstverständlich, dass eine bestimmte Kleiderordnung erwartet wird. Sportschuhe und geeignete Sportkleidung gehören zum Standard. Doch was passiert, wenn ein Fitnessstudio bestimmte Kleidung untersagt? Diese Frage beschäftigte im Februar dieses Jahres das Amtsgericht Bad Urach.

Der Fall: Verbot von Muskelshirts für Männer

Der Kläger schloss am 26. Februar 2023 einen Vertrag über drei Monate für 69,90 € pro Monat inklusive Aufnahmegebühr mit einem Fitnessstudio in M ab. Als er das Studio besuchte, entdeckte er ein Plakat, das klarstellte, dass es Männern verboten sei, Muskelshirts zu tragen – die Schultern mussten also stets bedeckt sein. Frauen hingegen war es erlaubt, Tops beim Training zu tragen. Zunächst hielt sich der Kläger an die Kleiderordnung, fühlte sich jedoch nach einiger Zeit in seinem Geschlecht benachteiligt.

Am 25. März 2023 schrieb der Kläger eine E-Mail an das Fitnessstudio, in der er seine Beschwerde über die Benachteiligung ausdrückte und forderte, die Regelung bis zum nächsten Tag zu ändern. Die Antwort des Fitnessstudios folgte prompt: „Wenn die Kleiderordnung für dich so ein großes Problem darstellt, biete ich dir hiermit ein sofortiges Sonderkündigungsrecht an. Wir legen viel Wert auf die Zufriedenheit unserer Kunden und wollen, dass sich jeder bei uns wohl fühlt. Wenn für dich das Training im Tanktop dazugehört, bist du bei uns leider falsch.“

Kurz darauf informierte ihn ein weiterer Mitarbeiter des Studios, dass er in den Abend- und Nachtstunden von Montag bis Freitag zwischen 22:00 und 08:30 Uhr sowie am Wochenende von 18:00 bis 10:00 Uhr im Tanktop trainieren dürfe. Kurioserweise wurde dann wenige Wochen später ein Plakat aufgehängt, das verkündete, dass ab dem 1. Mai Tanktops generell wieder erlaubt seien.

Diskriminierungsklage wegen der Kleiderordnung

Der Kläger argumentierte, dass die Kleidervorschriften willkürlich und diskriminierend seien. Er führte an, dass die Regelung insbesondere Männer benachteilige, da Frauen während des Trainings Tops tragen durften, während Männern dies untersagt wurde. Zudem sei er bei Vertragsabschluss nicht auf das Verbot aufmerksam gemacht worden. Er forderte von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 1.500 €.

Das Amtsgericht Bad Urach sah die Klage als teilweise begründet an. Zunächst stellte das Gericht fest, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Fitnessstudio unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) falle. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist es unzulässig, einen Vertrag diskriminierend zu gestalten, wenn das Geschäft als Massengeschäft betrieben wird. Dies war hier der Fall, da das Fitnessstudio seine Leistungen an die Allgemeinheit richtete und übliche allgemeine Geschäftsbedingungen verwendete.

Geschlechtsneutrale Regelung nur auf dem Papier

Auch wenn die auf dem Plakat formulierte Regelung zunächst geschlechtsneutral wirkte, stellte das Gericht fest, dass sie in der Praxis nur gegenüber Männern durchgesetzt wurde. Dies führte zu einer unmittelbaren Benachteiligung des Klägers aufgrund seines Geschlechts. Das Gericht betonte, dass eine Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG vorliegt, wenn eine Person aufgrund eines bestimmten Merkmals (hier: Geschlecht) eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in vergleichbarer Situation. Maßgeblich sei dabei die objektive Sicht eines neutralen Dritten und nicht die subjektive Wahrnehmung des Betroffenen.

Zulässige Ungleichbehandlung?

Das AGG sieht vor, dass eine Ungleichbehandlung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein kann, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Nach § 20 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung beispielsweise zulässig, wenn sie der Vermeidung von Gefahren dient, den Schutz der Intimsphäre wahrt oder besondere Vorteile gewährt. Das Fitnessstudio argumentierte, dass das Verbot von Muskelshirts dem Image des Studios dienen solle, indem es Bodybuilder fernhalten wolle. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Es sah keinen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Kleidungsverbot und dem Image des Studios und konnte somit keine Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung erkennen.

Schadensersatz und Entschädigung

Da das Gericht eine Diskriminierung des Klägers feststellte, sprach es ihm gemäß § 21 Abs. 2 AGG einen Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs wurde auf 250 € festgesetzt. Nach § 253 Abs. 1 BGB steht dem Geschädigten in Fällen immaterieller Schäden (wie einer Diskriminierung) ein angemessener Ausgleich in Form von Schmerzensgeld zu. Das Ziel des Schmerzensgeldes ist es, dem Betroffenen Genugtuung für die erlittene Herabsetzung oder Zurücksetzung zu verschaffen.

Fazit: Was bedeutet das für Fitnessstudiobetreiber und Kunden?

Der Fall zeigt, dass Fitnessstudios zwar eine Kleiderordnung aufstellen dürfen, diese jedoch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen darf. Vorschriften müssen sachlich gerechtfertigt sein und dürfen nicht bestimmte Gruppen – in diesem Fall Männer – benachteiligen. Andernfalls können Kunden Schadensersatzansprüche geltend machen.

Für Kunden bedeutet dies, dass sie ihre Rechte kennen und bei Diskriminierung nicht zögern sollten, rechtliche Schritte zu erwägen. Sollten Sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder sich über Ihre Rechte im Fitnessstudio unsicher sein, ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen. In Hannover stehen Ihnen erfahrene Anwälte zur Verfügung, um Ihre Ansprüche durchzusetzen.

Wenn Sie Fragen haben oder sich in einer ähnlichen Situation befinden, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Ich unterstütze Sie gerne bei der Wahrung Ihrer Rechte.

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Amtsgericht Bad Urach - Urt. v. 14.02.2024, Az. 1 C 161/23

Bild von Rechtsanwalt Cihan Kati im Anzug
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